„Geburtstagsgala für Guiseppe“ in Schwaan

Das Publikum erlebte am 10.September im gut bestzten Saal des Campus Schwaan eine hochdramatische Adaption von Dustin Hoffmanns Film „Quartett“ (dt. 2013), der wiederum auf Guiseppe Verdis persönliche Einrichtung eines Altenheims für von Armut bedrohte ehemalige Künstler im Jahr 1895 in Mailand zurückgeht. Diesem Plot folgt einfallsreich die Aufführung einer ‚Komödie mit Tiefgang‘ durch Schauspieler in der Rolle von Sängern. Cissy (Gabriele Schwabe als Mezzosopran), Reg (Berthold Kogut als Tenor), und Wilf (Peter Kratzke als Bariton), einst gefeierte Opernstars. Sie leben seit einigen Monaten mehr oder eher weniger zufrieden im Künstler-Altenheim. Hautnah und verfremdend erleben wir, wie sie das Altern mit allen körperlichen und psychischen Gebrechen reflektieren und als lebendes Beispiel vorführen. Geblieben ist ihnen die Erinnerung an Rampenlicht, Applaus und Gekanntsein. Dennoch: „Noch leben wir“ (Wilf) und kann (selbstironisch) von Künstlerschaft, Liebe und Sex gesprochen, gesungen und geträumt werden. Während sich Cissy, Reg (obwohl ihm die geliebte Orangenmarmelde verwehrt wird) und Wilf scheinbar arrangiert haben, kommt nun noch die exentrische, anspruchsvolle Diva Jean, Regs Ex (Renate Dasch als Sopran) als neuer Fürsorgefall ins Altersheim. Katastrophe!

Man kennt sich, denn vor x Jahren sangen sie das Quartett in Verdis Rigoletto, 3. Akt. Alte Wunden reißen auf. Werden die zauberhaft demente, agile, kindhaft- natürliche Cissy mit ihrer Puppe im Arm, immer jemand aus Karatschi kommen vermutend und gedanklich selbst dorthin unterwegs, der intellektuelle, prinzipielle Reg mit dem Wunsch nach Sieben-, Acht-, Neun-Appael, der sich weigert, seiner Ex zu begegnen und doch die Gala nach Protokoll organisieren will, Wilf, dem der lustvolle Gedanke am Leben incl. Sex nicht abhanden gekommen ist, Jean umstimmen können? Stimmlich eindrucksvoll und mit einer Prise Satire vorgetragen hören wir zunächst ihre Soli. Renate Dasch vermag Jeans kategorische Ablehnung zu singen auch körperlich zu inszenieren. Schließlich ist sie aber doch die Vierte im Bunde für die anstehende Geburtstagsgala. Cissy verführt sie, in ein revival einzustimmen.

Grand Finale im 2. Teil der Aufführung: Quartett aus Rigoletto, 3. Akt. Das war große Oper im Campus. Im Gesang schienen Altsein, Armut, alle Gebrechen, selbst Todesfurcht, aufgehoben. So will es die Komödie!
Das Publikum erfreute sich an der Spiellaune der Akteure, erwiderte Wortwitz, Doppeldeutigkeiten, auch derbe Anzüglichkeiten mit Lachen. Die sparsame, jedoch einfallsreiche Requisite unterstützte den Schauwert der Aufführung. Man denke an Cissys Puppe, ihr Outfit samt Kopfhörer oder Rigolettos Narrenkappe. Das alles war amüsant und kam mit Nachdenklichkeit daher. Kritisch sei angemerkt, dass das Drehbuch im ersten Teil- nach meinem Empfinden- Kürzungen vertragen könnte. Danke an Gottfried Eberle für seine hörenswerten Parts am Flügel. Zur Überbrückung eines Umbaus animierte er das Publikum, den „Gefangenenchor“ aus Verdis Oper Nabucco als Pop- Song zu singen. Vermutlich ist dieser Opernklassiker nie so entspannt intoniert und gehört worden. Das Publikum war befreit!

Der Schwaaner Kulturförderverein ruft den Künstlern für einen amüsanten Abend mit ideellem Tiefgang herzlich Danke nach Berlin hinterher.

Hella Ehlers

Foto: Helmut Langner